Dieter Slangen und Daniel Bernhardt haben den starken Südföhn Anfang November für einen unvergesslichen Flug genutzt. Während am Boden Temperaturen zwischen 10° und 15°C herrschten, waren es in knapp 6000 m nur um die -20°C. Dafür wurden die beiden mit einer eindrucksvollen Aussicht belohnt.
,,Life is either daring adventure or nothing at all”- Ein Wellenflug voller Emotionen und unvergesslichen Eindrücken
Nachdem die eigentliche Saison bei den Markdorfer Segelfliegern eigentlich schon vorbei ist, konnten zwei Piloten im November noch ein ganz besonderes Highlight des Segelflugs genießen:
Eigentlich hatten wir für den Donnerstag, den 01.11.2018, einen ganz normalen Winterarbeitstag zum Warten der Flugzeuge geplant, doch ganz so normal sollte der Tag dann doch nicht werden. Schon am Tag vor der geplanten Winterarbeit lenkte sich meine Aufmerksamkeit zunehmend auf ein ganz besonderes Wetterphänomen, welches sich neben atemberaubenden Wolkenformationen und tollen Lichtspielen vor allem durch eines auszeichnet: Scheinbar endlose Aufwinde über den Alpen. Der Alpenföhn. Ein Phänomen, bei dem bedingt durch hohe Druckunterschiede zwischen Alpen Süd - und Nordseite sehr hohe Windgeschwindigkeiten entstehen und durch die Umströmung von Bergketten atmosphärische Wellen angeregt werden. Gedanklich in den Aufwinden fliegend kam dann ein schon lang gehegter Traum immer stärker hoch und lies mich nicht mehr los: In vollkommen ruhiger Luft auf scheinbar endlose Höhen zu steigen und eine unbezahlbare Aussicht genießen. Welle fliegen!
Getrieben von dem eher unmöglichen Gedanken, ein derartiges Abenteuer realisieren zu können, studierte ich diverse Wetter- Wind- und Vertikalprofile für den folgenden Tag. Für den Morgen wurde noch eine sehr hohe feuchtlabile Schichtung vorhergesagt, die sich jedoch bedingt durch den Föhn rasch auflösen sollte. Anschließend würden sich starke Leewellenaufwinde entwickeln, die bis auf 7000 Meter über dem Meeresspiegel reichen sollten. Diese Vorhersagen lösten in mir das aus, was normalerweise eine sehr gute Thermikvorhersage im Sommer auslöst: Ein absolut verrücktes Bedürfnis zu fliegen, das Variometer am Anschlag zu sehen und neue Abenteuer zu erleben. Schon die Vorfreude lies mich im Kreis hüpfen.
So habe ich schon recht spät am Abend Dieter kontaktiert, ob er eventuell Lust hätte, am Folgetag einmal Föhnfliegen auszuprobieren. Dieter ging davon aus, dass mit meiner Frage eine kleine Runde mit dem UL gemeint war. Als ich ihm dann eröffnet habe, dass ich eher an einen Segelflug dachte kam die Antwort: „Du machst mich fertig. Ja, sehr gerne möchte ich das mal machen“. Folgend auf die Nachricht habe ich dann sofort voller Vorfreude das ganze Equipment zusammengesammelt, was man so für einen Wellenflug braucht: Warme, sehr warme Kleidung, Luftraumkarten, und eine Flasche voll mit Sauerstoff zum Atmen. Auch Helmut, einer unserer Schlepppiloten wurde schnell angerufen und stimmte sofort zu, uns am nächsten Tag in die Alpen zu schleppen.
Am Morgen des besagten Tages sind wir dann recht früh auf den Flugplatz gefahren um noch einige Wartungsarbeiten an den Flugzeugen vorzunehmen, bevor es losgehen sollte. Auf dem Flugplatz angekommen dann der erste kleine Schock: Regen und keine Föhnlücke erkennbar, welche die Aktivität des Windsystems belegt. Dies deckte sich aber durchaus mit den Prognosen vom Vortag. Also machten wir uns an diverse Arbeiten an den Flugzeugen und hofften auf Wetterbesserung, die dann auch eintrat. Gegen 10:30 baute sich eine prächtige Föhnlücke auf und wir fingen an, unseren Doppelsitzer „Arcus-T“ aufzubauen und für den Flug vorzubereiten.
Um 12:00 war es dann soweit, wir starten. Helmut hatte die Dynamic WT-9 gecheckt und war ebenfalls startbereit. Durch einen Anruf beim diensthabenden Fluglotsen von Friedrichshafen konnten wir bereits im Vorfeld die Möglichkeit zum Durchflug der Kontrollzone klären. Durch die Kontrollzone des Flughafens Friedrichshafen, weiter über Lindau ging es auf direktem Weg Richtung Hohenems, wo meist die Einstiege in die Welle zu finden sind.
Dort angekommen klinkten wir in 2500 Metern Flughöhe aus und versuchten am „Hohen Kasten“ unser Glück in die Welle einzusteigen. Nach recht kurzer Phase, in der wir in Rotoren, also sehr turbulenten Luftmassen, kämpfen mussten, schafften wir den Einstieg in die Welle und tauchten in eine völlig surreale Welt ein: In völlig ruhiger und laminarer Luft steigen wir mit über drei Metern pro Sekunde schnell bis auf 4000 Meter (Flugfläche 130). Um weiter steigen zu dürfen mussten wir eine Flugverkehrsfreigabe bei der Zürcher Flugsicherung einholen. Unsere Befürchtungen, dass wir keine Freigabe aufgrund der Verkehrssituation erhalten würden, bestätigten sich nicht. Von der Fluglotsin in der Verkehrsleitstelle Zürich erhielten wir absolut unkompliziert vorerst eine Freigabe für Flugfläche 150 und später dann für Flugfläche 200 (ca. 6000m MSL). Das Zitat: „Die Controllerin würde ich sofort heiraten“ spiegelte unsere Freude für die Freigabe wieder. So stiegen wir weiter an den Wolken vorbei und ein nahezu unendlicher Horizont eröffnete sich vor uns. Die vom Boden aus so mächtigen Alpen werden auf einmal klein wie ein Miniatur Wunderland und zeigen sich angestrahlt von der Sonne von ihrer schönsten Seite. Wir beobachten, wie der Föhnsturm den Schnee über die Bergrücken- und Seen treibt und in die Luft pulverisiert. Mit inzwischen 100 Km/h Gegenwind steigen wir weiter bis auf 6000 Meter und bewegen uns mit einer Geschwindigkeit von 15 Km/h über Grund Richtung Süden über ein Wolkenmeer, dessen Anblick einem den Atem stocken lässt. Die Temperatur beträgt inzwischen -20° C und kleine Eisblumen bilden sich auf der Haube des Cockpits. Bedingt durch die langsame Geschwindigkeit über Grund fühlt sich die Zeit wie angehalten an und man hält inne und versucht zu begreifen, in welcher unbeschreiblich schönen Landschaft man sich gerade bewegt.
Man vergisst alles um sich herum und genießt einfach nur den Flug. So verstreicht Stunde um Stunde und man würde am liebsten ewig weiter fliegen. Dieter erinnert mich daran, dass es schon 4 Uhr Nachmittags ist und wir an das Heimkehren denken sollten, da wir ja 6000 Meter Höhe abzubauen haben und es am Boden deutlich schneller dunkel wird als auf unserer Flughöhe.
Also verabschieden wir uns, bauen langsam unsere Höhe ab und gleiten entspannt in Richtung Bodensee. Wir genießen ein letztes Mal den Ausblick in die Berge im Sonnenuntergang. Über die Transponderzone Friedrichshafen hinweg gleiten wir noch ein ganzes Stück in Richtung Oberschwaben um die Höhe abzubauen und am Ende wieder in Markdorf zu landen.
Mit den letzten Sonnenstrahlen setzen wir durchgefroren aber überglücklich in Markdorf auf und können noch nicht ganz fassen, was wir gerade erlebt hatten. Ein Tag der Superlative neigt sich dem Ende zu.
Es war eine unbeschreibliche Erfahrung, die ich nur jedem Flugbegeisterten empfehlen kann! Wie sich rausgestellt hat, haben wir in Markdorf die ideale Infrastruktur und Ausgangslage für solche Flüge. Ich hoffe, dass wir diese Möglichkeit in Zukunft öfter nutzen können!
An dieser Stelle noch ein riesen Dankeschön an Helmut, der uns geschleppt hat, sowie Hans-Peter und Dietmar, die uns beim Abbauen noch geholfen haben.
Daniel Bernhardt