Es war ein typischer winterlicher Dienstagabend; man kam im Dunklen nach Hause, machte sich eine Kleinigkeit zu essen und fing dann an, für die letzten noch anstehenden Prüfungen zu lernen. Als die Nachricht von Henrik eintrudelte, dass sich Freitag eine Föhnlage ankündigt und ob es Interesse gäbe, zusammen zu fliegen. Ein kurzer Blick in den Plan: Prüfungsende um 10:00 Uhr. Also gab es für mich nicht mehr viel zu diskutieren und ich meldete mich auch an und bot an, dass wir von meinem Heimatflugplatz in Markdorf aus starten können. Es dauerte keine Stunde bis sich insgesamt sechs unserer D–Kader Piloten (Nähere Infos zum D-Kader des BWLV gibt es hier) voller Elan gefunden haben, um einen tollen Tag in der Luft mit unvergesslichen Eindrücken zu verbringen.
Henrik reiste mit der "OLC" an, Thomas und Stefan haben dankenswerterweise die neue "BW4" vom Streckenflugförderverein Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt bekommen, Jan–Lucas und Jan haben sich mit einem Duo Discus angemeldet und ich habe zusammen mit meinem Vater den vereinseigenen Arcus vorbereitet. Dankenswerterweise erklärten sich auch schnell zwei Schlepppiloten bereit, uns in die Luft zu befördern.
Am Freitag, den 20.12.2019 traf sich die motivierte Truppe schon um 06:30 Uhr um noch in völliger Dunkelheit die Flieger aufzubauen und vorzubereiten.
Es bildete sich eine Flightline, die sich mit manchen Tagen während der Saison vergleichen lässt und mit beginnendem Sonnenaufgang bildete sich schon ein sagenhafter Anblick der Flugzeuge, bedeckt mit Eisblumen im Morgenrot.
Henrik startete als erster in der OLC; ich sah den Schleppzug aus dem Vorlesungssaal in Richtung Hohenems fliegen. Um 10:00 Uhr konnte auch ich auf den Flugplatz und wir starteten im Arcus gegen 11:00 Uhr. Dank der guten Kooperation mit der Towerkontrolle des Flughafens Friedrichshafen konnten wir im F-Schlepp die Runway kreuzen, ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Weiter ging es durch erste Regen- und Schneeschauer und gewaltige Föhnturbulenzen, die einem den nötigen Respekt vor der Naturgewalt einflößen und signalisieren, dass man selbst nur eine kleine Marionette umspült von gewaltigen Kräften ist. Durch die Lüftung kamen kleine Schneeflocken ins Cockpit und strichen eiskalt um unsere Wangen.
Im Bereich der Sekundärwelle über Hohenems klinkten wir aus und konnten direkt bis auf 3300 m über dem Meeresspiegel steigen. Anschließend stürzten wir den Arcus mit aller Energie gegen den starken Gegenwind in Richtung Hoher Kasten und verloren innerhalb weniger Minuten zweitausend Höhenmeter. Der sonst so dynamisch gewohnte Arcus fühlte sich aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit über Grund und den extremen Sinkgeschwindigkeiten an wie eine K 8 mit halbgesetzten Klappen. Mit etwas weichen Knien kamen wir am Ostteil des Hohen Kastens an und gewannen nicht sofort Höhe am Hang. Wir nahmen unseren Mut zusammen und flogen, mit der Option in Hohenems zu landen, weiter den Hohen Kasten entlang Richtung Westen, wo er orthogonal zur Strömung liegt. Das Vario bewegte sich allmählich in den positiven Bereich und wir fingen wieder an Höhe zu gewinnen. In Achterschleifen ging es Richtung Gipfelkreuz und meine Anspannung legte sich allmählich - der Hang trägt zuverlässig. Über der Hangkante ließen einen dann erneut kräftige Rotoren alle Muskeln zusammenzucken, auch die Motor- und Fahrwerksklappen wurden unter lautem Jaulen auf- und zugezogen. Wir stellten den Arcus mit aller Kraft auf die Flächen und versuchten, die turbulenten und kleinräumigen Aufwindfelder zu fassen. Aus dem Rotor herausgestochen wurde die Luft unwirklich ruhig und eine hohe Herzfrequenz ging in eine hohe Frequenz des Variotons über. Vorbei an den rasiermesserscharfen Lenticularis–Wolken stiegen wir in die Höhe. Man tauchte in eine völlig surreale Welt mit diffusen Lichtbildern, Wolkenformationen und Naturschauspielen ein.
Henrik hatte in der Zwischenzeit schon ein gutes Stück in der Montafon–Welle in Richtung Osten geflogen und flog nun gegen den Starkwind zurück zu uns im Westen. Schnell kamen wir in Flugfläche 130 (ca. 4000 m) an und kontaktierten die Radarlotsen in Zürich um eine weitere Höhenfreigabe zu erbitten.
Völlig unkompliziert wurden wir und Henrik in der "OLC" auf Flugfläche 200 und später 230 (ca. 7000 m) freigegeben. Auch die Flugzeuge ohne Transponder wurden auf großzügige Höhen freigegeben. Ein tolles Beispiel, wie eine gute Kooperation zwischen der Flugverkehrskontrolle und Segelfliegern aussehen kann.
In unserer mit Eisblumen verzierten Haube sahen wir nun die "OLC", wie sie sich unter tollen Lichtreflexionen an unsere Fläche setzte. Vor uns ein großes, dunkles Meer aus vereinzelten Wolken, viel Schatten und wenigen Lichtstrahlen, ein Anblick welcher einem nur unwirklich erscheint. Völlig überwältigt von den Ausblicken flogen wir in Formation gemeinsam Richtung Westen bis nach Schaenis und beobachteten wundervolle Lichtspiele über dem Walensee und Schneeverwirbelungen an den Berghängen. Bedingt durch die sehr geringe Geschwindigkeit über Grund fühlte sich die Zeit wie angehalten an und man hat Zeit, inne zu halten und die Schönheit der Natur zu beobachten. Zurück in den Osten ging es mit einer Grundgeschwindigkeit von circa 300 Km/h und man fühlte sich eher wie in einem Airliner als in einem Segelflugzeug.
Da von Westen sich eine dunkle Kaltfront näherte und der Tag schon recht fortgeschritten war, entschieden wir uns über dem Montafon für den Heimflug nach Markdorf. In Flugfläche 200 kontaktierte ich erneut die Flugsicherung in Zürich und fragte nach, ob wir aus der Höhe direkt in Richtung Markdorf und weiter abgleiten dürfen. Auch dies wurde uns ermöglicht und so flogen wir aus 6000 m Höhe los in Richtung Norden. Über Friedrichshafen sahen wir in einer Höhe von circa 4500 Metern einer Linienmaschine weit unter uns beim Start zu. Anblicke, die man nicht so schnell vergisst. Henrik hätte aus der Höhe wieder mit guter Reserve direkt nach Grabenstetten knapp südlich von Stuttgart fliegen können, entschied sich dann aber doch für Markdorf. Wir nutzen die Höheum weiter bis nach Mengen zu kommen und begaben uns dort wieder unter Flugfläche 100, um anschließend wieder in Markdorf zu landen.
Durchgefroren aber überglücklich landeten wir wieder und blickten auf einen schönen Tag zurück. Für alle unsere Piloten war es eine lehrreiche Erfahrung, die uns für die kommende Saison und weitere gemeinsame Flüge motiviert hat. Aber nicht nur von der fliegerischen Seite ein tolles Erlebnis, sondern auch ein tolles Beispiel von gemeinsam genutzten Lufträumen der kommerziellen Luftfahrt und der Privatfliegerei.